Die Auswertungen zum IAB-Betriebspanel 2024 stehen unter dem Rahmenthema „Betrieblicher Alltag zwischen (schmerzhaften) Kompromissen und neuen Herausforderungen in den Betrieben in Hessen“. Während sich der diesjährige erste Report des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) mit der aktuellen Personalsituation in hessischen Betrieben beschäftigt hat, steht im zweiten Report die betriebliche Ausbildung im Fokus. Dazu wurden 1.068 Betriebe befragt.
Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori hob zur Veröffentlichung hervor: „Der vorliegende Report zeigt, dass der Fachkräftemangel und die Fachkräftesicherung zunehmend eine große Herausforderung für Wirtschaft und Politik darstellen. Investitionen in die Ausbildung und Qualifizierung von Fachkräften sind unerlässlich, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Daher freut es mich, dass wir als Hessische Landesregierung gemeinsam mit den Partnern aus Wirtschaftsorganisationen, Gewerkschaften, kommunalen Spitzenverbänden und der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit erst im April 2025 das „Bündnis Ausbildung Hessen“ bis zum Jahr 2029 verlängert haben. Gemeinsam wollen wir uns der Herausforderung stellen, die duale Ausbildung attraktiv und qualitativ hochwertig zu erhalten, Jugendliche auf Ihrem Weg in und durch die duale Ausbildung unterstützen und damit zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses beitragen“.
Dr. Frank Martin, Leiter der Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit, erläuterte: „Neben der Werbung bei Unternehmen, aber auch bei jungen Menschen für das System der dualen Ausbildung gilt es vor allem, beide Seiten auch zu mehr Flexibilität bei der Suche aufzurufen. Nicht selten finden Bewerbenden- und Unternehmensseite nicht zusammen, weil die Beteiligten sich einen zu engen Rahmen gesetzt haben. Deshalb begrüße ich es sehr, dass sich immer mehr Unternehmen, etwa in der Baubranche, auch gegenüber Bewerbenden ohne Schulabschluss aufgeschlossen und kompromissbereit zeigen.“ Der Arbeitsmarktexperte appellierte an die Unternehmen: „Wer in seinem Betrieb eigene Nachwuchskräfte ausbildet, nutzt die Chance, gezielt qualifiziertes Personal zu entwickeln und langfristig zu binden.“ Für Bewerberinnen und Bewerber seien Probearbeit im Betrieb und erfolgreiche Praktika häufig die Eingangstür zu einem Ausbildungsvertrag. „Von dieser Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens profitieren beide Seiten – angehende Auszubildende, wie Betriebe,“ so Dr. Martin.
Anteile an ausbildenden Betrieben und besetzten Ausbildungsplätzen erreichen Tiefstwerte
Lediglich 26 Prozent der Betriebe in Hessen haben im Ausbildungsjahr 2023/2024 ausgebildet. Damit wurde der bereits 2016 und 2021 gemessene Tiefstwert abermals erreicht.
Ähnlich sieht es beim Anteil der besetzten Ausbildungsplätze aus. Im Ausbildungsjahr 2023/24 haben die Betriebe in Hessen hochgerechnet rund 64.800 Ausbildungsplätze angeboten – das ist der zweithöchste Wert seit Beginn der Erhebungen 2002. Mit der Zunahme der Anzahl angebotener Ausbildungsplätze ging jedoch einher, dass nur 73 Prozent der Plätze besetzt wurden, was ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Vorjahr (84 Prozent) ist.
Höchste Ausbildungsbeteiligung in den Betrieben aus dem Verarbeitenden Gewerbe und dem Baugewerbe
Im Verarbeitenden Gewerbe bildeten 43 Prozent der Betriebe und im Baugewerbe 38 Prozent der Betriebe aus. Damit lag der Anteil in den beiden Sektoren deutlich höher als in den Sektoren Handel und Reparatur (28 Prozent), Öffentliche Verwaltung/ Organisationen ohne Erwerbszweck (25 Prozent) und Sonstige Dienstleistungen (24 Prozent). Das Schlusslicht bei der Ausbildungsbeteiligung bildeten die Wirtschaftsnahen und Wissenschaftlichen Dienstleistungen (15 Prozent).
Übernahmequote von Auszubildenden steigt auf Höchstwert an
Die Anzahl erfolgreicher Ausbildungsabschlüsse ist 2024 im Vergleich zum Vorjahr von 33.600 auf 29.900 gesunken und hat sich damit dem Tiefstwert aus dem Jahr 2022 angenähert. Die Übernahmequote ist seit 2004 kontinuierlich angestiegen und erreichte im Jahr 2024 den Höchstwert von 76 Prozent. Dabei lag die Übernahmequote im Baugewerbe mit 89 Prozent am höchsten. Es ist naheliegend, dass die Betriebe in Zeiten des Fachkräftemangels einen höheren Anteil ihrer Absolventinnen und Absolventen übernehmen, insbesondere auch, weil die Anzahl der Ausbildungsabschlüsse abgenommen hat.
Mehr Betriebe als in den Vorjahren haben Ihre Ausbildungsplätze frühzeitig vergeben
24 Prozent der ausbildungsberechtigten Betriebe in Hessen gaben an, zum Zeitpunkt der Befragung bereits Ausbildungsverträge für das neue Ausbildungsjahr abgeschlossen zu haben. Damit wurde der bereits 2008 und 2018 realisierte Höchstwert abermals erreicht. Dabei fiel der Anteil der Betriebe mit bereits abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im neuen Ausbildungsjahr am höchsten in der Öffentlichen Verwaltung und in Organisationen ohne Erwerbszweck aus. In dem Sektor hatten 55 Prozent der Betriebe bereits Ausbildungsverträge abgeschlossen. Im Sektor Handel und Reparatur waren es 31 Prozent der Betriebe, im Verarbeitenden – und im Baugewerbe 26 Prozent, in den Sonstigen Dienstleistungen 20 Prozent und in den Wirtschaftsnahen und Wissenschaftlichen Dienstleistungen 16 Prozent.
Bewerbende ohne Schulabschluss werden immer mehr berücksichtigt
56 Prozent der Betriebe gaben an, Bewerbende ohne Schulabschluss bei der Besetzung von Ausbildungsstellen zu berücksichtigen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Im Jahr 2013 haben nur 29 Prozent der Betriebe Bewerbende ohne Schulabschluss berücksichtigt.
Die Voraussetzungen, unter denen Betriebe Bewerbende ohne Schulabschluss berücksichtigen, sind unter anderem ein guter Bewerbungseindruck, ein erfolgreiches Praktikum oder erfolgreiche Probearbeit, eine Empfehlung durch Dritte, ein erfolgreicher Eignungstest und öffentliche Förderung.
Hintergrundinformationen
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) lässt seit 1993 jährlich Betriebe im Rahmen des IAB-Betriebspanels durch das Marktforschungsinstitut Verian Group (ehemals Kantar Public) befragen. Die Auswertung für Hessen erfolgt durch das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Gefördert werden die hessischen Zusatzauswertungen von der Europäischen Union und aus Mitteln des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum sowie der Bundesagentur für Arbeit.